Teil 1

 

Wanderung von Kato Zakros nach Profiti Elias

13 Tage, 1 Ruhetag in Kastelli

 

Nach meiner Besichtigung von Knossos beherrschte mich nur eine Idee. Wie konnte ich schnellstmöglichst nach Kato Zakros kommen, einer kleinen Siedlung an der äußersten Ostküste Kretas. Hier sollte meine Wanderung auf dem E4 starten.

Ursprünglich wollte ich mit dem öffentlichen Linienbus von Heraklion nach Zakros fahren. Aber am Ostermontag ging die Fahrt nur bis Sitia. Nach langer Diskussion und Feilscherei erklärte sich ein Taxifahrer einverstanden, mich für 100 € bis Zakros zu befördern. So günstig könne ich nie wieder nach Zakros kommen, versicherte er mir.

 

Ich schlug zu und war dann auch glücklich bereits 10 Uhr morgens an den auslaufenden Berghängen die kleine Stadt Zakros, ca. 8 km vom Meer entfernt, zu sehen.

Das Wetter war großartig, ca. 26 ° C und kein Wölkchen am Himmel.

Der Taxifahrer ließ mich in der Nähe dieses voll besetzten Kafenions aussteigen. Typisch, dachte ich und hatte gleich das Gefühl in Kreta zu sein.

An vielen Häusern und in kleinen Gärten blühten Blumen. Auch das war mir schon von Griechenland vertraut.

Das ist das einzige Hotel am Ort und ich war der einzige Gast. Die Wirtsleute saßen vor ihrem Hotel und grüßten fleißig jeden, der an ihrem Restaurant vorbei ging.

Mich nahmen sie gleich bestens auf, gaben mir ein schönes Zimmer und servierten einen griechischen Salat, den ich mit großem Genuss verspeiste. Vor allem die winzigen, aber würzigen Oliven hatten es mir angetan.

 

29. April, durch die Zakros Schlucht

 

Bereits 11 Uhr machte ich mich auf den Weg ins Tal der Toten, der berühmten Schlucht von Zakros bis Kato Zakros am Meer. Immer wieder freute mich über die leuchtenden Blumen des Frühlings.

 

Auch staunte ich nicht schlecht, einen gut behangenen Zitronenbaum zu sehen. Mir war klar, ich war in Kreta und das war die Antwort auf die Frage: "Kennst du das Land wo die Zitronen blühn?"

Je tiefer ich in das Tal hinunter stieg, desto rauher und wilder wurde es. An uralten knorrigen Olivenbäumen vorbei, ging es auf felsigem Steig die Schlucht hinunter.

Hier ein erster Blick auf den zerklüfteten Eingang dieser Schlucht, die schon zu minoischer Zeit große Bedeutung hatte, denn es war der heiliger Ort, wo die Toten in Höhlen bestattet wurden.

Teilweise musste man über Felsbrocken klettern, um auf den Grund dieser Schlucht zukommen.

 

Auf dem tiefsten Punkt angekommen, versperrte mir dieser Bachlauf den Pfad zur anderen Uferseite. Der Grund des Tales war über und über mit Büschen, Gehölzen und Bäumen bewachsen und ich hatte Mühe, mich da durch zu schlagen. Fast eine grüne Hölle, die aber durch das plätschernde Wasser und den kühlenden Schatten angenehm zu ertragen war.

Bald erreichte ich einen gut gangbaren Pfad am Hang entlang.

Keine glatten Felswände sondern immer wieder rissiges Gestein mit tiefen Furchen und schwer zugänglichen Höhlen.

Am Ausgang der Schlucht strömte das Wasser ruhig dem Meer entgegen.

 

Hier ein Blick auf die Ausgrabungsstätte der minoischen Palastanlage Kato Zakros, neben Knossos und Festos ein bedeutendes Herrscherzentrum. Von diesem Palast aus beherrschten die Minoer den Handel im östlichen Mittelmeer. Die Anlage ist mehr als 3500 Jahre alt und hat viele Erdbeben zu überstehen gehabt, sodass nur noch die Mauern im Grundriss zu erkennen sind.

Ein Strandrestaurant lud zu einem kleinen Plausch mit zwei deutschen Damen ein, die hier ihren Reiseführer "Kreta" beenden wollten und an der Meinung von "Through Hikern" auf dem E4 sehr interessiert waren.

Zum Schluss noch ein Strand-Bild, das mich auf dem östlichen Beginn des Weitwanderweges E4 zeigt.

 

30. April, Von Zakros nach Ziros

 

Tolles Frühstück: Frisches Brot, Butter, Ei, Joghourt, Honig, Kaffee. Ich fühlte mich wohl. Obwohl ich ein wenig Bammel hatte, schon von Zakros aus gleich 400 m steil aufzusteigen, freute ich mich, dass es nun endlichauf den harten E4 ging. Ziros war für heute mein Ziel.

Tief blauer Himmel strahlende Morgensonne aber nur 12° C.

Diesen Berg ging es hinauf. Der Weg war steinig, aber gut markiert. Ganz langsam und immer im gleichen Rythmus erklomm ich eine Passhöhe nach der anderen. Es lief gut.

Ich freute mich so früh am Morgen unterwegs zu sein. Die Ebene um Zakros lag im Morgendunst.

Bevor es nach Skalia ansteigt, querte ich eine kleine Hochebene über eine blühende Wiese.

Es ging dann noch einen gut markierten Schotterhang hinauf und plötzlich tauchte die kleine Kapelle Skalia auf.

Sie ist umzäunt um, die überall grasenden Schafe fern zu halten. Der Zaun umschließt nicht nur die kleine Kirche sondern auch eine Quelle, deren sprudelndes Wasser sich in ein Becken ergießt. Ich war begeistert, der Ort ist gesegnet und so schön, dass ich ernsthaft überlegte, hier eine Nacht zu bleiben.

Da tauchten überraschend 2 Holländer auf, die es ganz toll fanden, dass jemand den Mut hat, durch Kreta zu wandern.

"Gutes Gelingen" sagten die Holländer und schüttelten mir lange die Hand. Zum Abschluss noch ein Photo in der Kirche.

Der E4 Pfad ist gut markiert und führte mich bergauf, bergab durch eine wogende Hochebene mit viel stacheligem Grün.

Hier war die Macchia besonders hoch und konnte gnadenlos zustechen.

Nachmittags gegen 5 Uhr schaute ich hinab auf Ziros, das auf einer der typischen, fruchtbaren Hochebenen liegt.

Ich werde für heute meine Tour beenden und mir ein Zimmer suchen. Die Suche währte nicht lange und ich fand ein Hotel mit angeschlossenem Restaurant an der Hauptstraße.

 

1. Mai, von Ziros über Vori zum Biwak hinter Andromili

 

Mein E4 Wanderführer warnte mich, dass es heute mit den Wegmarkierungen nicht gut bestellt sei. Außerdem werde ich die ersten 4 Kilometer nach Chandras auf einer asphaltierten Landstraße zurücklegen. Ich könnte ab Chandras der Landstraße ausweichen. Da ich aber die Route auf der Basis von Wegpunkten und nicht von Trackdaten gespeichert hatte, ging ich kein Risiko ein und nahm die Landstraße.

Nach einem kargen Frühstück brach ich 8 Uhr auf und wanderte auf der Asphaltstraße bei bedecktem Himmel und kühlen 18° C nach Chandras.

Auch nach Chandras blieb ich auf der Landstraße und marschierte flott nach Etia. Auf einer Anhöhe schaute ich auf die gelbe Venezianische Villa, die als sehenswert gepriesen wird.

Kurz vor Vori kamen plötzlich 2 Autos mit lautem Hupen auf mich zugefahren. Ich rettete mich an eine Bushaltestelle. Es war nicht nötig. Unter großem Hurra, stiegen die beiden Hölländer, die ich in Skalia kennengernt hatte und ihre Frauen aus dem Auto, stürzten auf mich zu und umarmten mich stürmisch. Ich bin überrascht. Ein netter Zufall.

Das ist eine kleine Gasse in Vori, die schön mit Blumen geschmückt war.

Bevor ich allerdings in Vori landete, steuerte ich eine Abkürzung an, die sich letztlich als gewaltiger Umweg entpuppte. Ich war fast im Tal, als ich sah, dass ein Unwetter den Feldweg unüberwindbar weggerissen hatte. So stieg ich wieder fast 400 m hinauf, um dann direkt nach Vori abzusteigen.

Ein junges israelisches Paar, dass auch auf dem E4 wanderte, allerdings von West nach Ost, fotografierte mich vor der Kirche.

Die beiden gaben dann noch einen entscheidenden Hinweis zum Verlauf des E4, den ich beachten sollte, der mir aber leider beinahe zum Verhängnis werden sollte.

Im Talgrund musste ich dieses Bachbett überwinden. Man sieht, dass hier ein Unwetter gewütet hatte.

An dieser Stelle folgte ich der Wegbeschreibung der Israelis und machte einen Umweg von ca. 3 km und hatte einen Zeitverlust von ca. 2 Stunden. Mit viel Glück fand ich den E4 wieder. Doch nun verdüsterte sich der Himmel und es fing an zu regnen.

Als ich ein tieferes Wasser durchwaten musste, entschloss ich mich, zu einem Olivenhain zurück zulaufen, mein Zelt aufzubauen und hier die Nacht zu verbringen.

 

2. Mai, Biwak am Fluss und Biwak hinter Chrisopiggi

Die Nacht hatte es geregnet und Schlafsack, Zelt, Jacke und Strümpfe waren nass. Gegen 8.30 Uhr habe ich die Sachen widerstrebend im Rucksack verstaut.

300 m nach meinem Biwakplatz musste ich durch diese Furt waten. Mit nackten Füßen und Gummisandalen kein Problem, aber es dauerte länger.

Nachträglich sehe ich, dass ich in diesen Ruinen hätte übernachten können.

Es wurde drückend heiß, als ich diesen Berg aus dem Tal aufstieg.

Das ist Dafni. Hier spürte ich die Anstrengung und merkte, dass ich schlecht gegessen hatte.

In Dafni selbst hielt plötzlich ein Pickup neben mir und ein freundlicher Mann lud mich in sein Haus ein.

Er erkannte meine Situation und fragte, ob ich etwas essen wolle. Ich nickte und er schlug mir einen griechischen Salat vor.

Ich war überglücklich, dass ich hier in dieser Einöde etwas zu essen bekam. Dann holte der alte Herr eine wunderbare Artischokke aus seinem Garten und schnitt die Blätter in meinen Salat. Nicht genug damit legte er auch noch gebratenes Lammfleisch auf einen Teller und schob ihn zu mir. Dann beeilte er sich, schnitt frisches Weißbrot und legte es blank auf den Tisch.

Ich zitterte fast und sagte danke, danke schön. In dieser Zeit hatte er eine kleine Schale voller Oliven gefüllt und stellte sie neben meinen Salatteller. Ich war dankbar und sprachlos. Als ich nach dem Preis fragte, winkte er ab. Ich legte 10 Euro auf den Tisch und sah, dass er zufrieden war.

Als ich Dafni verließ, wollte ich so schnell wie möglich nach Chrisopiggi. Doch wieder einmal verlief ich mich und machte einen riesigen Umweg mit einem unnötigen Aufstieg von 200 m.

Chrisopiggi erreichte ich ca. 5 Uhr nachmittags. Ich fand eine Bank in dem Ort nahe der Kirche. Unweit von mir saß ein Pfarrer.

Ich ging direkt auf ihn zu und fragte auf englisch, wo es hier einen Supermarkt gibt. Er verneinte und als ich nach einem Kafenion fragte, verneinte er ebenso, stand auf und entfernte sich. Damit sank meine Hoffnung hier ein Hotel zu finden. Das Dorf schien wie ausgestorben. Irgend etwas stimmte hier nicht.

Ich füllte meine Wasserflaschen und wanderte aus dem Ort hinaus. 1 km nach Chrisopiggi stieß ich auf einen Olivenhain, indem ich mein kleines Zelt aufschlug. Klar, dass das Abendbrot, ziemlich schmal ausfiel.

 

3. Mai, Biwak Nähe Chrisopiggi bis Biwak Nähe Tripti

Die Nacht war erstaunlich kühl, nur 12° C. Super Frühstück: trockenes Brot, Quark und Wasser. Ich fühlte mich erstaunlich gut und brach 8 Uhr auf. Der E4 stieg sofort in Serpentinen bis auf 820 m an. Seltsam, die Gewissheit auf dem E4 zu sein, machte mir den Aufstieg leicht und ließ mich die Anstrengung vergessen.

Der Wind blies kräftig und ich war froh eine Jacke mitgenommen zu haben. Vielleicht hätte ich auch die Handschuhe anziehen sollen.

Mal schaute ich nach Süden auf das Meer und manchmal sah ich das Meer im Norden. Von manchen Passhöhen und Berggipfeln auf Kreta kannst man mit etwas Glück das Mittelmeer im Norden und im Süden sehen.

In Orino gibt es keinen Laden, aber ein hübsches Kafenion mit freundlicher Bedienung.

Direkt an der Straße machte ich es mir an einem Tisch bequem.

Ein köstliches Essen: Griechischer Salat vom feinsten, Tadtziki und ein Souvlaki Spieß. Ein kräftiger griechischer Kaffee, eine dunkle Scheibe Brot und ein Glas kühles Wasser rundeten die Mahlzeit wunderbar ab.

Das war die Passhöhe auf den Tripti-Bergen.

Danach führte mich der E4 durch einen ausgedehnten Pinienwald hinab und ...

... an einer steilen Schlucht vorbei.

Eine kleine Kapelle im Wald mit einer sprudelnden Quelle, verlockte mich hier zu bleiben.

Da die Nacht ziemlich schnell herein brach, zögerte ich nicht und richtete mir auf dem Vorplatz mein Schlaflager unter freiem Himmel ein.

 

4. Mai, Biwak Nähe Tripti bis Biwak kirche hinter Vassiliki

Es war eine kalte Nacht und die Steine waren hart. 6 Uhr aufgestanden, Glieder steif, gefroren und den Schlaf nicht aus den Augen bekommen.

7 Uhr schulterte ich meinen Rucksack und wanderte in der ersten Morgensonne durch das erwachende Land.

Diesmal fand ich sofort die Stelle, wo der Pfahl mit dem E4-Zeichen mir den Weg wies. Danach ging es auf einem wunderschönen Hangpfad flott bergab.

Herrlicher Blick auf die Meeres-Bucht an der Nordküste und die Tiefebene, bis zu der ich hinunter steigen musste. Von einem winzigen Ort fast direkt unter mir nahm ich an, dass es Monastiraki sei, mein erstes vorläufiges Ziel, von dem ich mir ein gutes Frühstück und eine kräftige Tasse Kaffee erhoffte.

An dem gegenüberliegenden Hang stieg ein Wolkenband aus dem Tal auf.

 

Endlich in Monastiraki! Es gibt viele Sitzmöglichkeiten, von denen ich glaubte, dass sie zu einem Restaurant oder einerTaverne gehörten.

Ein Italiener sah mich an einem Tisch warten und kam zu mir, um mir zu sagen, dass sich hier schon seit Tagen der Wirt nicht mehr blicken ließe. Das ist ja lustig, sagte ich ihm, denn ich hätte mich schon auf ein Frühstück gefreut.

Da sagte der nette Italiener, ein Frühstück könne er mir leider nicht anbieten, aber er würde mich zu einer Tasse Kaffee einladen. Das schlug ich nicht aus und bedankte mich hundert mal. Als ich ihn fragte, was er hier mache, da sagte er mir, dass er an einer wissenschaftlichen Expertise arbeite, wozu er absolute Ruhe brauche und die fände er hier.

Ich genoss den heißen Kaffee und wünschte dem netten Italiener viel Erfolg bei seiner Arbeit.

Ein Blick zurück nach Osten zeigte mir den Ausgang der Schlucht vom Tal aus.

 

Das waren die einzigen Früchte, die zu dieser Jahreszeit schon reif waren.

Nachdem ich auf der anderen Seite des Tales in Vasiliki gegessen hatte, aber keine Unterkunft fand, wanderte ich weiter in die Berge.

Es fing schon an zu dämmern, als ich etwas abseits vom Weg diese Ruinen und gleich daneben eine kleine Kapelle entdeckte.

Da bin ich immer elektrisiert, wenn ich Kapellen sehe. In Ostkreta gibt es fast an allen Kapellen eine Wasserquelle. Man glaubt nicht wie gut frisches Wasser schmecken kann.

Die Ruinen sind die Reste eines verlassenen Dorfes. Wieviele verlassene Häuser und Ruinen in den Dörfern hatte ich schon gesehen. Einzig die Kirchen blieben intakt.

 

5. Mai, Biwak Kirche und Biwak auf dem Steintisch

 

Heute Morgen war der Himmel bedeckt und die Sonne lugte nur ab und zu auf Kreta hinab. Auf einem landwirtschaftlichen Fahrweg führte mich der E4 an den Berghängen der Südküste nach Westen. Hier der schöne Blick auf die Tiefebene von Iapetra.

Endlich sah ich Meseleri in einem fruchtbarenTal. Der Abstieg zog sich unerwartet in die Länge. Nur gelegentlich riss die Wolkendecke auf.

Meine Nachfrage in Meseleri ergab, dass ich in Prina eine Unterkunft finden könnte. Voller Hoffnung wanderte ich die 5 km nach Prina. Als ich in der kleinen Stadt an einem Kafenion vorbei kam, schallte großes Getöse aus dem Restaurant und ein Mann, der mich wohl schon beobachtet hatte, bat mich, einzutreten.

Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Um etwas zu sagen, brachte ich mein Anliegen, hier eine Unterkunft zu finden, vor. Ein Mann sprang gestikulierend auf und machte mir klar, dass er mir helfen könne. Eile hätte ich doch nicht. Er würde mich gerne zu einer Party einladen.

Gesagt, getan fuhr er mich zu der Party seines Sohnes. Man nahm mich gleich freundlich auf und drückte mir ein gegrilltes Steak und ein Glas Wein in die Hand. Der Sohn erkundigte sich nach meiner Wanderung durch Kreta und bot mir an mich nach Sitia zu fahren, in Prina gäbe es nämlich kein Hotel.

So fuhren wir am späten Nachmittag nach Sitia, fanden aber auf die Schnelle kein Hotel und fuhren die 8 km wieder zurück nach Prina. Ich drückte dem freundlichen jungen Mann einige Euros in die Hand und bat darum, mich von der Party zu verabschieden.

Statt zu feiern, freute ich mich, wieder zurück auf dem E4 zu sein und wanderte unverdrossen Richtung Selakano. Auf meiner Karte sah ich, dass eine kleine Kirche am Wegesrand lag und freute mich schon auf frisches Wasser.

Allmählich fing es an zu dämmern, aber die Kirche tauchte nicht auf. Ich lief weiter, strengte meine Augen an, aber die Kirche blieb verschwunden.

Es war schon fast dunkel, da entdeckte ich am Wegesrand eine steinerne Sitzgruppe mit Tisch. Der Not gehorchend baute ich mein Schlaflager auf dem Tisch unter freiem Himmel auf. Leider war es immer noch bedeckt, sodass es um mich herum stockdunkel wurde und ich befürchten musste, dass es noch regnen könne. Doch ich hatte Glück, außer ein paar rastlosen Mücken, war meine Nachtruhe ungestört.

 

6. Mai, Biwak auf dem Tisch dann bis nach Selakano

 

Ich hatte gut geschlafen, war 6 Uhr morgens aufgestanden und entdeckte nun, ...

 

... dass ich von hunderten Bienenkörben umgeben war.

Es war ein schöner Morgen mit leichtem Sonnenschein. Einziges Problem: ich hatte nicht genug Wasser.

Eine Augenweide: zarte Vergissmeinnicht zwischen Felsbrocken und knorrigen Kiefern.

Ein wenig diesig war dieser Tag schon.

Endlich einmal Schatten! Auf meiner Karte sah ich, dass ich wohl einen weiteren Umweg in Kauf nehmen müsse, um nach Selakano zu kommen. Kann ich den nicht abkürzen, ging es mir durch den Kopf. Da müsste ich die vor mir liegende Schlucht durchqueren und das würde einen steilen Anstieg über Schotter auf der anderen Talseite bedeuten. Mit Rucksack war es nicht ganz ungefährlich, aber die Abkürzung war zu verlockend.

Ich entschied mich für die Durchquerung der Schlucht. Alles schien einfach, aber der weggespülte Weg war schon das erste Hindernis. Ich kletterte herum und stieg weiter nach unten. Plötzlich Gestank! Ich hielt inne und sah direkt vor mir zwischen zwei Büschen einen toten Ziegenkopf hängen. Das war so abstoßend, sodass ich gleich kehrt Marsch machte. Ich war überzeugt: Das sollte mich abschrecken.

 

Also nahm ich den langen Weg nach Selakano in Kauf.

In einer dieser Hütten quartierte ich mich ein.

Komfortabel war es nicht, aber ich lag nicht auf Steinen und war auch vor Mücken geschützt.

 

7. Mai, von Selakano bis zur Lasithi Ebene

Heute soll es bis zu 1700 m hinauf gehen. Es ist das erste große Bergmassiv im Osten Kretas, das ich überwinden musste. Wer sich stark fühlt, so mein Büchlein vom Luca, der kann gern noch einen Abstecher auf den Dikti, 2100 m, machen.

Ziel des heutigen Tages ist für mich die Lassithi Ebene, von deren Fruchtbarkeit, langen Siedlungsgeschichte und Anbaukultur seit Jahrtausenden ich schon gelesen hatte.

Wie ich gestern von Einheimischen erfahren hatte, soll es heute in den Bergen windig sein, aber nicht regnen.

7 Uhr wanderte ich los voller Neugier und Erwartung einer anstrengenden Bergetappe. Erste kleine Überraschung, es wehte ein ausgesprochen kalter Wind.

Auf die Wegführung des E4 musste gut aufgepasst werden.

Auf diesen ersten Wandertagen leistete mir meine Jacke gute Dienste.

Anfangs war der E4 ein passabler Pfad. Je weiter ich hinauf kam, desto steiler wurde die Geröllhalde und man musste sich den Weg zwischen den Steinbrocken suchen. Insgesamt war aber die Markierung gut.

Der Wind trieb die Wolken über die Höhe und so wechselten sich Sonnenschein und Schatten schnell ab.

Jetzt schien noch die Sonne, aber die Wolkendecke wurde immer dichter. Allmählich kam bei mir die Befürchtung auf, dass sich das Wetter nicht halten könnte.

Zielpunkt auf der Passhöhe von 1700 m war die Schäferschutzhütte, eine sogenannte Mitata.

Als ich die Steinhütte betrat, konnte ich kaum etwas sehen. Doch bald sah ich, dass sie voll besetzt war. Für eine kleine Vesperpause rückten sie alle zusammen. Ich sprach das Wetter an: "Nein, das regnet nicht." war die einhellige Meinung.

300 m hinter der Mitata sprudelte eine kostbare Quelle.

Schon bald hinter der Quelle gab es einen schwach markierten Pfad zum Dikti hinauf. Ich zögerte nicht lange, fühlte mich gut und entschied mich für diesen zusätzlichen Aufstieg.

Nach erster Abschätzung ging es noch 300 m bis zum Gipfel hinauf. Ziemlich tief hängend die Wolken, dachte ich noch.

Die Markierungen waren wirklich spärlich. Meist nur ein roter Punkt oder ein Steinmännchen, die ich aber in dem Nebel immer schlechter erkannte.

Als aber die Wolkendecke dichter wurde, aktivierte ich mein GPS.

200 m unter dem Gipfel breiteten sich Schneefelder aus. Hier machte ich noch ein Foto, überlegte aber, ob ich weiter laufen sollte. Da frischte plötzlich der Wind stark auf und ehe ich mich versah, schneite und graupelte es um mich herum.

Das einzige was ich noch machen konnte war, meine Kapuze über den Kopf zu ziehen und mich vom Wind abzuwenden. Das GPS dicht an meinem Körper, wollte ich hinab steigen, verlor aber sofort die Orientierung, sah auch nichts mehr, da der Schnee meine Brille sofort dicht machte.

Ich starrte nur noch auf das GPS, das mir Gott sei Dank einen Abstieg ins Tal anzeigte. Das war kein offizieller Pfad, sondern nach der Topologie errechnete Schutthänge, die unter den gegebene Umständen für mich ein Optimum waren.

Schrittweise tastend, vom Schnee halb blind und vor Kälte zitternd, kam ich nach 4 Stunden aus der Unwetterzone heraus. Ich war glücklich dem Wind, den Graupelschauern und den Wolken entronnen zu sein.

Endlich 18 Uhr erreichte ich die Talsohle.

In einem kleinen Hain in der Nähe einer Kapelle baute ich mein Zelt auf.

Der Abend war friedlich: Sonnenschein, blöckende Schafe mit Glöckchen und eine ruhig atmende Landschaft. Meine Diktibesteigung kam mir unwirklich vor, doch war mir bewusst, dass ich auch Glück gehabt habe.

 

8. Mai, Biwak Lasithi Ebene bis Kapelle Ende minoischer Weg

 

Schon 6.30 Uhr machte ich mich auf den Weg zur Lasithi Ebene. Auf den Wiesen lag ein leichter Reif und in den Blättern funkelte der Morgentau.

Voller Spannung wartete ich auf meinen ersten Blick über die berühmte Lasithi Ebene.

Hier ein wunderbarer Blick auf die Lasithi Ebene, ein fruchtbares Ackerland auf einer Höhe von durchschnittlich 830 m. Schon zu Zeiten des Königs Minos hat diese Karstlandschaft für die Versorgung des Reiches mit Weizen und Hülsenfrüchten eine bedeutende Rolle gespielt.

Um möglichen Überschwemmungen zu entgehen, wurden die Siedlungen, wie auch z.B. Agios Georgios an den Rande der Lasithi Ebene gebaut.

Traditionell gekleidete Frauen bei einem kleinen Plausch in den Straßen von Agios Georgios.

Die Lasithiebene dehnt sich ca. 10 km von West nach Ost und bis zu 6 km von Nord nach Süd aus.

Das ist eine der alten charakteristischen Windmühlen, die in den 1920-iger Jahren die weitläufigen Felder mit Grundwasser versorgt hatten. Vorher wurde das Wasser mit handbetriebenen Ziehbrunnen an die Oberfläche befördert. Heute wird Wasser mit Dieselmotoren auf die Felder gepumpt.

Ich wanderte, von der Schönheit der Lasithi Ebene tief berührt, auf Landwirtschaftswegen durch blühende Felder und an Obstgärten vorbei.

Aber ich sah nie einen Olivenhain. Für Olivenbäume war das Klima auf der Lasithi Hochebene zu kalt und zu rauh.

Völlig unscheinbar erscheint der Ort Psichro auf der Lasithi Hochebene. Aber aller Unscheinbarkeit zum Trotz, gibt es hier eine große Attraktion.

In ca. 1200 m Höhe und 1,5 km von Psichro entfernt befindet sich der Eingang zu einer mythologisch bedeutenden Höhle. Hier soll die Titanin Rhea den späteren Göttervater Zeus geboren haben. Ganze Busladungen von Touris werden auf die Lasithi Ebene hoch gekarrt, um diese unscheinbare Grotte, in der archäologisch keine Überreste eines Zeuskultes gefunden wurden, zu besichtigen.

In Anbetracht der zu erwartenden Anstrengung zu dieser Höhle hinauf zu steigen und der Menge der Menschen, die hier unterwegs waren, verzichtete ich auf die Besichtigung.

Ich lief noch ein Stück auf der Landstraße nach Norden und bog fast am Ende der Lasithi Ebene links auf einen kleinen Feldweg ein. Es ging kräftig bergauf bis zu einer Passhöhe und von dieser führte ein uralter Maultierweg, er soll noch aus minoischen Zeiten stammen, ca. 500 m tief ins Tal hinab.

 

 

Das ist der "minoische" Weg, der sich in endlosen Serpentinen den Hang hinunter schlängelt. Stundenlang lief ich auf den in leichter Schräge gepflasterten Hangsteinen eine Kehre nach der anderen hinab. Erst gegen 18 Uhr erreichte ich eine kleine Kapelle am Ende dieses Maultierpfades.

Kreta, ein Bergland zur Abendstunde.

 

9. + 10. Mai, Wanderung nach Kastelli und Ruhetag

 

Kalte Biwaknacht. An der Quelle trotzdem mit kaltem Wasser von Kopf bis Fuß "geduscht". Nun war ich wach und genoss diesen schönen frischen Morgen.

Kafenion kurz nach 7 Uhr morgens. Ich war der einzige Gast. Die Wirtin und ihr Mann waren sehr herzlich und servierten mir einen aromatischen griechischen Kaffee.

Weiter gehts den kretischen Weg über die Landstraße. Für heute ist Kastelli mein Ziel.

Gegen Mittag schaute ich auf die kleine Stadt Kastelli am Rande einer fruchtbaren Hochebene. Den Namen trägt die Stadt nach einer Burg aus der Zeit der venezianischen Besetzung.

Ich konnte es nicht sein lassen. Eine Abkürzung nach Kastelli, die aber gut ausging.

Die Kreter lieben wie fast alle Griechen blühende Blumen. Haus und Eingang werden reich geschmückt. Meist konnte ich mich nicht satt sehen.

Ich bin schon am frühen Nachmittag in Kastelli und quartiere mich im einzigen Hotel der Stadt ein.

Es ist ein sehr schönes preiswertes Hotel mit freundlichen Wirtsleuten und einem Swimmingpool.

Die einzige große Straßenkreuzung ...

... und der einzige Supermarkt in Kastelli.

Während des II. Weltkrieges wurde der alliierte Flughafen bei Kastelli von deutschen Truppen besetzt und für die Unterstützung der Kämpfe in Nordafrika ausgebaut.

Tausende kretischer Einwohner wurden von den Deutschen unter Androhung harter Strafen für den Ausbau des Flughafens herangezogen. Sabotageaktionen der Alliierten und kretischer Widerstandskämpfer blieben nicht aus. Die Deutschen rächten sich bitter. Niemals bin ich auf Kreter gestoßen, die mir gegenüber Ressentiments gehabt hätten.

 

11. Mai, von Kastelli nach Pano Archanes

 

Als ich zum Frühstückstisch ging, wurde ich zu meiner großen Überraschung von einer Gruppe empfangen, die mir " Klaus" zu riefen. Es waren 3 Wanderer, die ich in Selakano kennengelernt hatte. Ja, wir freuten uns über das Wiedersehen, tauschten Erfahrungen aus und beschlossen, die ersten langweiligen Kilometer auf der asphaltierten Landstraße hinter Kastelli mit dem Taxi schnell hinter uns zu lasssen. Eigentlich nicht mein Stil, aber ich schloss mich der Gruppe an.

Wir ließen uns mit dem Taxi 7 km bis nach Apostoli bringen und wanderten dann auf Feldwegen durch die nahen Hügel.

Aus einer Entfernung von einigen Kilometern leuchtete das Agarathos Kloster, eines der älteste Kretas, zu uns herüber. Dieses befestigte Kloster liegt auf einer Höhe 538 m bei Episkopi, nur 23 km östlich von Heraklion.

Als ich näher kam und die befestigten Mauern, sowie die aufragenden Zypressen und die markannten Norfolktannen sah, spürte ich, dass es sich wohl um ein bedeutendes Kloster Kretas handelte.

Es wurde im 16. Jahrhundert gegründet und war bereits während der venezianischen Besatzungszeit ein reiches Kloster. Zur Zeit der osmanischen Besetzung war das Kloster eine Keimzelle des Widerstandes gegen die Türken.

Auch heute werden Kult und Religion des orthodoxen Glaubens in der Kirche lebendig gehalten.

1821 hatte die türkische Besatzung die Mönche getötet und die Kirche in Brand gesteckt.

1894 wurde das Gotteshaus, das der Mutter Maria geweiht ist, wieder errichtet und erstrahlt heute in neuem Glanz.

Unsere Gruppe im Gespräch mit einem Priester vertieft.

Wir wanderte nach diesem erhebenden Erlebnis im Kloster Agaratos weiter Richtung Sgourokefali. Dieser Landstrich war sehr fruchtbar und abwechslungsreich, vor allem durch seine ausgedehnten Weinfelder.

Schließlich führte uns das GPS auf einem wenig gekennzeichneten E4 - Feldweg. Die Gruppe war geteilter Meinung, ob man diesem Track folgen solle und blieb lieber auf der Straße.

Erkundigungen ergaben, dass bis Archanes eine komplizierte Wegstrecke zurück zu legen sei.

Also freute man sich, als die Entscheidung zugunsten einer Taxifahrt nach Archanes fiel.

Mich zog es aber weiter Richtung Profiti Elias und so wanderte ich bis in den späten Abend hinein in ein weites Tal hinunter.

 

12. Mai, Profiti Elias und zurück nach Heraklion

 

Glück gehabt! Im Dunklen fand ich diese ebene Fläche an einem unbewohnten Gartenhaus und verbrachte eine ungestörte Nacht.

Frühnebel in Kreta. Ich war einigermaßen überrascht.

Am Grund des Tales hatte ein Bach die Straße weggespült. Ich musste lange suchen, bis ich durch das Schilf eine Lücke fand, um diese Stelle zu umgehen.

Gegen 11 Uhr Mittag strahlt der Himmel unverstellt im schönsten Blau.

Gurken zur Vernichtung! Ich suchte mir eine schöne Gurke aus dem Haufen und war fassungslos über eine Vernichtungsaktion in einem Land wo weiß Gott kein Überfluss herrschte.

Profiti Elias liegt auf einer Passhöhe.

Als erstes suchte ich mir in der Nähe dieser Kirche eine Bank, um ein karges Frühstück zu mir zu nehmen. Da plötzlich bringt mir eine ältere Frau eine Serviette mit zwei selbst gebackenen Quarkteilchen.

Ehe ich begreife füllte sie auch noch ein Glas frisches Wasser ab und reichte es mir.

Ich war tief gerührt und bedankte mich tausend Mal. "Ein Geschenk des Himmels", sagte ich zu mir, denn zu einem besseren Zeitpunkt hätte diese Gabe nicht kommen können.

Profiti Elias liegt auf der Anhöhe mit einem wunderbaren Blick in eine fruchtbare Kulturlandschaft.

Mein Reiseführerbuch und auch mein GPS führten mich einige 100 m ins Tal hinab. Letztlich zeigte mein GPS den E4 Wanderweg direkt über einen Bachlauf an. Da der Weg schon bis dahin kaum markiert war, zweifelte ich, ob ich hier richtig sei.

Ich lief am Ufer hin und her und fand nur mit Mühe eine Stelle um durch Bambus und Gebüsch überhaupt in den Bach zu kommen. Wegen des hohen Wasserstandes watete ich mit meinen leichten Plastiklatschen durch das Wasser, um eine Ausstiegsstelle zu finden. Das GPS in der Hand ging es über Steine und durch Schlamm.

Da passierte das Unglaubliche, ich rutschte aus und um nicht ganz ins Wasser zu fallen und mein Gleichgewicht zu retten, ruderte ich mit den Armen und das GPS flog im Bogen in den Bach. Vorsichtig bückte ich mich und wühlte auf dem Bachboden herum. Trotz einer Stunde intensiven Suchens, wobei ich bis zur Brust völlig durchnässt war, fand ich mein GPS nicht und gab deprimiert auf. Ich wollte es nicht wahr haben, aber mein kostbares GPS mit allen Wegpunkten und Routen war weg.

Ich lief wieder den Hang zurück und marschierte auf einer Abkürzung wie ein Automat nach Benerato. Mir war klar, dass ich ohne GPS die Tour nicht fortsetzen konnte. Aber ich hatte ja in meiner Koffertasche in Heraklion im Rea Hotel ein zweites GPS. Also musste ich nach Heraklion zurück und dieses GPS aktivieren. Das hieß nichts mehr und nichts weniger, dass ich auf mein altes GPS Wegpunkte des E4 oder einen E4-Track laden musste.

In Benerato wartete ich nicht lange, da kam der Bus nach Heraklion. Meine Stimmung war nicht gut. Tausend Gedanken bewegten mich. Wie konnte mir das nur passieren? Hätte ich doch länger suchen sollen? Konnte ich die Daten von meinem Handy laden? Wie wollte ich eine Kreta Garminkarte kaufen? Als der Bus die Station in Heraklion erreichte, machte ich mich gleich auf den Weg zu meinem Hotel.

Teil 2 der Wanderung